2013
echsenleben
in erinnerung an mein leben
als echse häute ich mich
dreimal täglich
in der nacht jage ich würmer
fliegen und anderes getier
grabe mich an heißen sommertagen in den sand ein
verkrieche mich im winter in mauerritzen
und falle in starre
döllacher elegie (tauern und tage)
wir gehen über haut
andere vergnügungen gönnen wir uns
nicht mehr
dein gesicht liegt
eingebettet zwischen moränen
du schmiegst dich in die landschaft
grün feucht und kalt
blättert haut auf
wie rinde oder schiefer
das moos auf den steinen
könnte von uns sein
erinnerung an ein tal
einen felssturz damals
und stimmen aus dem gebirge
wir gehen an den fluss
haut an haut
und tauschen worte gegen zitronenfalter
unsere körper fließen mit den silben
durchsichtig wie flügel im licht
wir sprengen die sterne vom himmel
du wiegst dich hin und her
in sicherheit
atmen wir die blitze der oberleitung
frisst die tram matte menschen
an der haltestelle sitzen stare auf masten und warten
auf die durchsage für ihren umstieg
in ein anderes leben
geworfen aus einem meer
hören wir echolote
in den schlünden der großstadt
streunen wir durch die nacht
ausschau haltend nach licht
falten wir träume zu gebirgen
sprühen fanale der liebe an felswände
bis die tram an der endstation
die menschen wieder ausspeit
auszug der winterquartiere
Krautgarten Nr. 63, November 2013
Forum für Junge Literatur, B-4780 St. Vith / Belgien (ISSN 1374-7762)
ein gebirge könnte
es gewesen sein
auf dem du fort geritten bist
über die sturz
besoffenen dächer
deiner stadt
du trägst dein neues kleid
aus seidenpapier und krepp
pfauengleich
erklingt ein schrei
schlägst du ein rad
hoch über waschbetonplatten
auf dem stück rasen
neben dem asphaltweg
im industriepark
sehe ich dich in abendgarderobe unterwegs
zu meiner eigenen premiere
winke ich dir nach
staunend über so viel abschied
ausgeweidet - eingeweidet
heute stiebt milch
gegen das fenster
grasland wellt sich
über deine hand
der sonnenuhr zu
oder du ihr entgegen
felsgeklippe schlägt
eine neue richtung ein
gestern kreuzten hier noch
schlangen und nächte
das blutdurchströmte meer
an deinen ufern weidet
eine herde leguane
gemächlich macht sie sich
übers strandgut her
mattanza
fließt blut ins meer
schwimmen die fische heldenhaft in die tiefen
und verneigen sich
[du bist netz masche im netz
3 faden & 7 knoten
schreibt der kapitän ins logbuch]
seegang treibt an land
liegt das schiff anders im sand
ertrinken skorpione in wüsten
hängt das segel schief im wind
fällt ein schatten auf die insel
hat das strandgut landgang
rufen die sirenen
noch einmal
die ganze mannschaft zu grund
bandoneón
auf landkarten folge ich immer
dem salamander
gehe an flüssen entlang
über metallzungen
ins land der lemuren
wildgänserufen nach
meine geographie ist die
eines seufzers
meine kompassnadel zeigt nach hause
nur ein gebirge trennt mich noch von dort
vertraue ich einem glasfaserkabel liebe an
die mondschale gefüllt
die mondschale gefüllt mit nacht
und vor das fenster gestellt
schatten stimmen silberfäden
ergießen sich über dein haar
du vergräbst worte unter der steineiche im garten
für schatzsucher kommender tage
eulen beobachten dich
und wenn du dich schlafen legst
unter dem schafwollenen gras
in der zikaden ton
in der erdwärme des safrans
aus seinen fäden webe ich das gewand für die morgenröte
die mit ihren schamloslippen das firmament umfängt
und mit dem letzten lied der amsel stirbt
dann kehre zurück in die fremde / mit der du vertraut bist
(auch in " hautsterben", 2012)
zopenitzen [halbweisen
aus dem mond gefallen
die tage und stimmen
im schneemond liegen sie /jetzt
bergdohlengleich
über die felsen breiten sich lügen aus
nur der schwarze salamander
sagt noch /die wahrheit
kleines mädchen
mit den viel zu dichten haaren
wer hat dich ausgesetzt
in diesem dorf
diesem tal
in /diesem letzten vers
in einem gedicht
(auch in " hautsterben", 2012)
krafla
inskriptionen No. 6 / 2013 - niemandswiese
Erata / Leipziger Literaturverlag (ISBN 978-3-86660-170-3)
sie schreiben gedichte
und trinken billigen branntwein
draußen im fjord sinkt ein schiff
wer ein pferd hat
hat auch ein schaf und eine frau
neben dem gletscher wächst gras
schwarze steine schimmern im nordlicht
in reykjavík schieben sie ihre autos
über die straße und grölen schweinische lieder
gegen den wind riecht der schnaps
in keflavík hängt der himmel tief
von husavík bis akureyri lesen sie unanständiges zeug
der ausgebreitete himmel umfasst alles und brennt
die berge brennen am sprengisandur
die herzen brennen in vík
die kehlen brennen über der krafla
(auch in " hautsterben", 2012)
engel
die flügel ausgebreitet zu einer stadt
mit parks und vor den toren wald
und in den häusern stimmen
erinnerungen engel mörder
eine dichterin streunt durch die straßen
sprüht verse an die mauern
ist der tod durchsichtig
und wirft keinen schatten
beskidy (verschieden graue töne)
Worte reden - Worte schweigen
Dorstener Lyrikpreis 2013, hrsg. von Heike Wenig, HW-Verlag Dorsten (ISBN 13 978-3-932801-62-4)
und in den wäldern fällt
musik durch das geäst
und fällt auf schnee und
fällt in deine hand
bären folgen ihrer spur
eine lüchsin und ein großer berg
als schatten
damals
als wir die wege zum ersten mal gingen
und stimmen auf den blättern lagen
wie morgentau und nebel auf den wiesen
lange vor der zeit der eulen